Einblick in die “Blackbox” Teiggärung: Wissenschaftler entwickeln Mess- und Regelungssystem für optimal gegärte Backwaren

Als Gärprozess bezeichnet man die Phase, in der ein Teigling nach dem Formen nochmals gärt – ein fermentativer Vorgang, bei dem die dem Teig zugegebene Bäckerhefe die vorhandenen Kohlenhydrate zu CO2, Ethanol und zahlreichen Nebenprodukten verstoffwechselt, die für Geschmack und Aroma entscheidend sind. Ein optimaler Reifegrad durch den Gärprozess ist dann erreicht, wenn zudem eine ausreichende Lockerung für das gewünschte Volumen sorgt und der Teigling “in Form bleibt”. In der Backwarenherstellung ist die Gärung damit einer der wichtigsten qualitätsbeeinflussenden Prozessschritte. Gesteuert wird sie über die Temperatur, die relative Luftfeuchte, die Luftgeschwindigkeit und die Gärzeit.
Bäcker und geschultes Fachpersonal steuern diese Parameter mit ihrem Know-How und ihrer Erfahrung situationsbedingt. Ist dies nicht möglich, kann es passieren, dass Teiglinge nach suboptimaler Gärung abgebacken werden und Backwaren aus dem Ofen kommen, die Hersteller- oder Verbrauchererwartungen nicht voll erfüllen. Das kann beispielsweise in einer Backfiliale sein, in der die Bedienung des Kunden Vorrang hat – oder auch in der Backwarenindustrie, die zunehmend ihre Prozesse automatisiert führt.
Vor diesem Hintergrund wäre ein Gärsystem sinnvoll, das den Gärzustand der Teiglinge bewerten und bei Bedarf den Gärprozess über die relevanten Parameter nachsteuern kann. Eine solche intelligente Gärsteuerung, die einen Einblick in die “Blackbox” Teiggärung ermöglicht, existiert jedoch bislang nicht.
Ziel eines aktuellen FEI-Projektes der Industriellen Gemeinschaftsforschung ist daher die Entwicklung eines optischen Messsystem auf Basis einer digitalen Bildauswertung und eines darauf aufbauenden fuzzy-basierten, selbstlernenden Regelungssystems für den Gärprozess. Die Erfassung und Nutzung der Ist-Zustand-Daten hinsichtlich Form, Volumenentwicklung und Oberflächenbeschaffenheit soll ermöglichen, einen optimalen Reifegrad der Teiglinge am Ende des Gärprozesses zu erreichen – schwankenden Rohstoff- und Verarbeitungsqualitäten sowie möglichen Fehlbedienungen zum Trotze.
Mindestens fünf Prozent der täglich in den backenden Betrieben hergestellten Brote und Brötchen entsprechen nicht den erforderlichen Qualitätszielen aufgrund eines suboptimalen Reifegrades. Es ist zu erwarten, dass sich durch eine intelligente Steuerung der Temperatur-/Feuchte- und Zeitführung beim Gärprozess die Ausschussmenge bzw. Menge an qualitätsgeminderter Ware deutlich reduzieren ließe. Damit könnten die Betriebe der nach wie vor stark mittelständisch geprägten Backbranche ihre Produktionskosten deutlich senken, insbesondere auch im Hinblick auf steigende Rohstoff-, Energie- und Entsorgungskosten.
 
Informationen zum Projekt AiF 18123 N “Entwicklung einer intelligenten Gärsteuerung zur optimierten Herstellung von Teiglingen mittels digitaler Bildauswertung und erfahrungsbasierter Fuzzyregelung”.